Wie du zu uns kamst
Liebe Johanna,
ich habe mich in der gesamten Schwangerschaft sehr auf dich gefreut. Ich war neugierig, wie es wird. Wie ich mich bei der Geburt schlage. Eine Geburt, war für mich in meiner Vorstellung eine sportliche Herausforderung. 😊 Ich wollte sehen, wie ich mich anstelle und ich wurde auch viel danach gefragt. Ob ich nicht Angst vor den Schmerzen habe. Besonders, wo ich doch so viele Frauen bei ihrer Geburt begleitet hatte. Sei es nicht abschreckend… wunderten sich viele Frauen. Mir war klar, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie es wird und da noch keine Frau nach der Geburt gesagt hat „ach, das war nicht so schlimm wie ich dachte“, war ich mir sicher, dass es „intensiv“ wird und freute mich drauf. Angst hatte ich keine.
Von Anfang an wollte ich es versuchen, dich zuhause auf die Welt zu bringen. Bei einem gesunden Baby und einer gesunden Mutter, gab es keinen Grund in eine Klinik zu fahren. Ich hatte keine Sorge, dass was passieren könnte, da wir ganz in der Nähe ganz viele Kliniken haben. Tatsächlich war einer der Hauptgründe, außer dass ich mich zuhause sehr wohl fühlte, dass ich zu faul war, mit Wehen in einen Wagen zu steigen und mich in eine Klinik bringen zu lassen. Gleich zuhause zu bleiben, schien mir viel gemütlicher und einfacher. Dann würden eben die Hebammen zu uns kommen und nicht wir zu ihnen.
Mein Frauenarzt war, da es meine erste Schwangerschaft mit dir war, ein wenig ängstlich. Ich verriet nicht, dass wir eine Hausgeburt planten und so hatte ich Ruhe. Es war alles wunderbar. Das erste Mal, wo ich dein Herzchen so schnell und stark hab schlagen sehen, kamen mir die Tränen. Diesen Moment vergesse ich nie. Auch der allererste Besuch bei meiner Frauenärztin, wo ich dich sah, gut schon 2 Monate alt, war so schön. Ich freute mich so sehr.
Ich fand eine Hebammenpraxis, die sich Apfelbäumchen nannten. Eine sehr angenehme Praxis mit lieben Hebammen. Ich sah meistens 2 von ihnen und meine Lieblingshebamme kam am Ende auch zur Geburt. Sie kam zusammen mit Anne, eine Hebamme die die Hebammenpraxis geborgen geboren gegründet hat. Da wollte ich zuerst hin, weil ich Anne und die anderen zwei Gründerinnen noch aus meiner Ausbildung und Praktikumszeit kannte. Sie hatten leider keinen Platz mehr für uns im September, aber wir waren ja trotzdem sehr gut betreut.
Die Schwangerschaft mit dir war super. Es gab keine Probleme. Ich hatte nur etwas Schmerzen am Rücken und lief die letzten Wochen was langsam. Von der Seite deines Opas Peter haben wir sehr lockeres Bindegewebe geerbt und bei mir klemmte sich am Kreuzbein ein Nerv ein…
Das sollte kein Problem für die Geburt sein und mir ging es nur auf die Nerven, dass die Leute von mir erwarteten schneller zu gehen. Mich störte es nicht, dass mir was weh tat. Im Gegenteil, es war wie eine schöne Aufgabe für mich und erinnerte mich daran, dass der Körper auf alles reagiert. Du konntest gar nichts dafür. Mein Bindegewebe ist sehr weich und in der Schwangerschaft ist meine Hüfte schön auseinander gegangen. Meine letzten Wirbel in der Lendenwirbelsäule sind seit meiner Geburt steif und ich nehme an, das half nicht unbedingt. Ich habe mich immer gut bewegt und war mir sicher, dass das auch wieder besser wird.
Meine Hebammenkolleginnen im Krankenhaus, wo ich bis zu deiner Geburt gearbeitet habe, hatten richtig Angst wegen unserer geplanten Hausgeburt. Die Ärzte verrieten mir dies nicht und zeigten später eine große Erleichterung, als es geschafft war. Meine Kolleginnen hielten sich leider nicht zurück und flehten mich regelrecht an, mich in die „Sicherheit“ der Klinik zu begeben. Sie hatten sichtlich Angst um uns. Es kam auch noch oben drein, kurz vor deiner Geburt, eine schief gegangene Hausgeburt in die Klinik. Ich weiß bis heute nicht, ob das Baby es geschafft hat. Ich blockte diese Gefühle meiner Kolleginnen ab. Ich wollte mich mit dieser Angst nicht beschäftigen und tat es ganz stur nicht. Ich verstand ihre Sorge, war ihnen allerdings auch böse, dass sie es mir gegenüber äußerten und sich nicht zusammen reißen konnten.
Ab und zu hatte ich in der letzten Woche vor deiner Geburt hier und da eine kleine Welle. Das war superspannend für mich. Nicht anstrengend oder beängstigend, eher anspornend, dass es nicht lange dauern würde, bis es los geht. Ich freute mich richtig darüber. „Ah, da ist ja was, da bist du ja…. Ah, ich atme bewusst, mach meinen Bauch groß… Oh meine Kleine, du machst das prima…“ Das waren meine Gedanken dabei.
Am 25.09.2015 nachts gegen 3 Uhr wachte ich von einer Welle auf. Erst war ich mir nicht sicher, ob ich wach bin, oder ob ich schlief. Dann bemerkte ich, dass ich immer wieder wach wurde. Die Wellen zogen leicht in meinen Rücken und vor allem fühlte es sich wie eine Glut in meiner Mitte an. Ein Schmerz, ein Gefühl, was ich nicht beschreiben kann. Es fühlt sich nicht falsch an, es fühlt sich richtig an und wird mit jedem Mal etwas stärker. Dein Vater schlief neben mir. Ich weckte ihn nicht und atmete bei jeder Welle ruhig vor mich hin. Als die Welle nachließ, schlief ich ein. Bis ca. 6 Uhr, da waren sie etwas stärker und häufiger, so dass ich dazwischen nicht mehr einschlafen konnte. Dazu musste ich bei jeder Spitze der Wellen meine Hüfte kreisen. Schön langsam und dehnend in alle Ecken. Ah, das tat richtig gut. Ich fing auch an zu tönen. Es war ein Muuuuhhhh-Tohn, der tat mir besonders gut. Mit einer tiefen Stimme… Dein Vater wachte auf und machte sich auf zur Arbeit. Ich sagte ihm, dass er sich bereithalten solle, denn vielleicht würde es nicht zurück gehen und stärker werden und wir unsere Tochter bekommen.
Gegen 9 Uhr morgens hatte ich ein wenig gefrühstückt, gut getrunken, war oft auf Toilette und die Wellen waren alle 5 Minuten, schön kräftig, so dass ich bei der Welle innehielt, mich stützte, auch in die Knie ging und mich z.B. an einem Stuhl lehnte und festhielt, dabei die Hüfte langsam kreiste und Muuuuuhte. Das tat gut, war nicht anstrengend, fühlte sich gut an und du bewegtest dich nach den Wellen schön. Ich schaukelte dich und mich durch den Tag. Tat dass was ich wollte. Ein wenig aufräumen, Fern sehen, spülen, meine Eltern drüben besuchen. Meinem Vater musste ich erklären, dass es nichts Schlimmes war. Er schaute erschrocken aus, weil ich recht laut bei den Wellen muuuuhhte. ^^° Ich hatte mich in den letzten Stunden ein Paar mal untersucht, um zu sehen, was sich in meinem Körper tut. Mein Muttermund war leicht eröffnet, auf ca. 3 cm, das machte mich froh, denn es hieß für mich, dass du dich definitiv auf den Weg machst. Gegen 11 Uhr rief ich deinen Vater an, dass er doch bald nach Hause kommen könne, denn es wurde stärker und die Wellen kamen immer häufiger alle 3-5 min. Ich zählte es nicht, doch ab und zu schaute ich auf die Uhr, damit ich bescheid geben konnte. Meine Mutter war in der Nähe und wenn ich sie brauchen würde, war sie da. Das gab mir eine enorme Sicherheit. Meine Mutter war mein ganzes Leben wie ein Fels für mich da. Sie schaute mich an und ich sah eine wohlige Freude in ihrem Gesicht. Keine Angst, nur ein „oh, du bist stark“. Sie hatte absolut keinen Zweifel daran, dass alles so war wie es sein sollte. Mein Vater dagegen wirkte ängstlich, aber er sagte selbst, dass er als Mann davor Angst haben muss. Das störte mich nicht. Ich freute mich ihm sagen zu können, dass alles sehr gut war und dass es mir super ging.
Um 12 Uhr wurde es mir dann langsam immer unangenehmer. Die Wellen waren so kräftig, dass ich starken Halt benötigte. Ich hatte mit meiner Atmung und dem Muuuuhen gut üben können. Dein Vater war da und kümmerte sich um Wasser für mich. Meine Mutter saß im Raum, oder in meiner Nähe und strahlte ihre Ruhe zu mir rüber. Nicht zu nah, aber so nah, dass ich sie dort noch fühlte. Bis dahin hatte ich meine Hebamme immer wieder geschrieben, wie es läuft und nun rief ich sie an. Ich hatte ca. 5 cm bei meinem letzten Nachschauen an meinem Muttermund bemerkt. Sie machte sich auf den Weg und als sie 30 Minuten später bei uns ankam, war ich sehr erleichtert, denn der Druck auf Alles nach unten war richtig stark und ich freute mich, sie an meiner Seite zu haben.
Sie untersuchte mich… es waren mittlerweile ca. 8 cm. Oh, da war ich erleichtert, ich fühlte mich stark. „Chacka!“ sagte ich mir innerlich. „Das schaffe ich. Ich bin bärenstark“. Ja, deine Mutter ist was ihre Kraft angeht, nicht schüchtern. Schon als Kind wollte ich stark sein und sportlich. Schon meine Entstehung war so. Ich war eine Invitro Kind, eins von 5 in der Mitte und so stark, dass ich alle anderen weck geschubst habe. Das tat ich auch während deiner Geburt. Es kamen Besucher zu meiner Oma, während ich wehend in unserem Treppenhaus auf und ab ging. Ich hatte keinen Plan mehr, ich tat das war meinem Körper guttat und reagierte auch so. Der Besuch lachte…. „oh, eine Geburt“ Als wäre das ein Event. Ich erinnere mich nicht gut, nur dass ich ihnen meinen Rücken zudrehte und weiter Muuuuuhte und meine Wellen annahm. Meine Mutter war außer sich, erzählte sie mir später. Der Besuch ging zu den Räumen meiner Oma und wir machten mit unserer Geburt weiter. Mich konnte nichts rausbringen. Ich war mit dir im Flow, Zuhause, in meinem Reich und vor allem hatte ich meinen Körper, der wunderbar funktionierte. Mir wurde warm, ich zog mich ganz aus. Ich brauchte keine Kleidung mehr. Die Hebamme hatte ihre Kollegin, die ich auch schon kannte, sogar noch aus meiner Ausbildung, dazu gerufen. Das war ein tolles Zeichen. Zwischendurch ist die Fruchtblase geplatzt. Da wurde der Druck deutlich stärker und ich war froh, dass du dir damit zeit gelassen hattest. Ich hatte schon mit meinen Fingern deinen Kopf unter der Fruchtblase gespürt. Jetzt spürte ich ihn ganz hart, wie er sich weiter runter wagte. Du bist so ein tapferes Mädchen. Dein Vater hielt mich im Stehen fest, ich konnte meine Finger in seinen Arm graben, er sagte nichts, das war gut. Meine Mutter war da und reichte mir ihre Hand. Ach meine Mama, sie gab mir Halt, als Frau. Sie wusste was es bedeutet, das spürte ich. Die Hebammen hörten sanft an meinem Bauch nach deinen Herztönen und sie waren stark wie ein Pferd. Trampperditrammper… galoppiertest du dich durch deinen Weg. Ich war stolz auf dich und mich. Meine Hebamme, die Katy, die mich leitete war jung, ich war ihre erste Kollegin, die sie leitete. Sie gab mir mit ihrer sanften Stimme Halt, erinnerte mich zu atmen, ließ mich nach der Welle Ruhen und ihre zweite Hebamme, die liebe Anna, fühlte sich für mich wie eine weitere Mutter an. Sie war noch nicht Mutter, hatte aber für mich schon früher eine mütterliche Rolle eingenommen, trotz ähnlichen Alters.
Wir rollten auf die Geburt zu. Als ich noch nicht vollständig war wurde es sehr turbulent bei mir. Ich spürte diesen starken Druck, so strak… Irgendwann dachte ich, dass ich jetzt sterben würde. Ich dachte weder an dich, noch an sonst wen. Nur an mich, dass ich nicht sterben wollte. Ich schrie auf Griechisch nach meiner Mutter. „Mama, biothia!“ Mama, Hilfe! Hieß es und meine Mutter war da. Sie sagte mir: „ich bin da“. Sie hielt meine Hand in ihrer und ich hielt ihre ganz fest und zog mich aus dem Schwarz, in dem ich reingerutscht war, raus. Dann sah ich meine Hebammen, meinen Bauch, dich und schöpfte neue Kraft. Nein, ich war nicht gestorben und das musste jetzt alles fertig werden. Ich wollte dich endlich sehen und endlich in meinen Armen halten.
Jetzt ging es richtig los. Ich durfte mit schieben und ah, das war gut. Im 4-Füßler schob ich erst leichter und dann immer stärker mit starker Stimme und Körper bei den Wellen mit. Meine Hebammen zeigten mir, wie ich mich hinsetzten konnte und da versuchte ich es ebenfalls. Erst fand ich die hockende, sitzende Position nicht gut, es tat mehr weh, aber dann fand ich Halt und Zugang zum Boden. Meine Füße wurzelten sich fest, neben unserem Bett und ich schob dich immer weiter runter. Du warst so tapfer. Ich schwitzte und nach einer kleinen Weile spürte ich deinen Kopf, tastete nach ihm, als meine Hebammen sagten, du seist zu sehen. Oh, dieses Gefühl, als meine Finger deine Kopffalten spürten, vergesse ich nie. Da warst du, so nah…. Nicht mehr viel, du warst bald da. In den Wellenpausen wurde ich richtig euphorisch. Während der Wellen muss ich wohl geflucht haben, auf Englisch… ich erinnere mich nicht mehr ganz so klar, nur daran, dass es sehr intensiv und gut war. Dann trat dein Kopf durch und es tat weh, aber in der nächsten Sekunde als du geboren wurdest, fühlte ich eine Erleichterung von innen. Du warst warm und weich, als du nach draußen schwommst und da lagst du. Rund und schön vor mir. Ich sah dich und war direkt verliebt. „Schaut sie auch an, ist sie nicht wunderschön?!“ sagte ich allen um mich herum auf Griechisch und Deutsch. Liebe auf den ersten Blick für mein ganzes Leben, meine liebe kleine Tochter! Meine Johanna!
Ich wollte dich zu mir hochnehmen, da bemerkte ich, dass mein rechter Arm lahm war. Das fand ich nicht schlimm. Ich bekam von meinen Hebammen etwas Hilfe, um dich zu mir zu nehmen und in die Arme zu schließen. Wir wurden mit warmen Tüchern zugedeckt. Seitdem halte ich dich fest. In meinen Armen, in meinen Gedanken, in meinem Leben. Meine Große Maus.
Die Plazenta kam mit einem Hüsterchen von mir hinterher. Ich hatte keine Verletzung und laut meinen Hebammen war es eine „Sahne Geburt“. Meine Mutter war so stolz und ich erst. Ich legte dich nach den ersten Minuten des Anschmachtens an die Brust zum Trinken. Du hattest eine weiche, warme Zunge und schlucktest tapfer. Hier ging unser gemeinsames Abenteuer auf der trockenen Erde los.
Mein Arm heilte nach ein paar Wochen. Wir wussten erst nicht, ob es schlimm war. Als ich nach Stunden meinen rechten Arm immer noch nicht richtig heben konnten, bekam ich einen Termin beim Orthopäden und Neurologen. Ich war bei unserer Geburt mit meiner rechten Hand umgeknickt und hatte mir einen Nerv des Handgelenks eingeklemmt. Mit Physio- und Elektrotherapie war mein Flügel so gut wie neu innerhalb einiger Wochen. Du hast mich zu jedem Termin begleitet.
Von Ilona Klein http://www.hebamme-koeln-klein.de